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Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
15.03.2018
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Ryan Gellert (Patagonia): "Kunden identifizieren sich stärker mit nachhaltigen Kaufentscheidungen"

Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
15.03.2018

Die hochwertige Outdoor-Marke Patagonia ist bekannt für ihren ganzheitlichen, nachhaltigen Ansatz, bei dem das Augenmerk auf dem Gemeinwohl liegt. Das Unternehmen investiert schon seit langem in NGOs und bezog auch klar Stellung zu den jüngsten umweltpolitischen Maßnahmen der US-Regierung.

Im Gespräch mit FashionNetwork erklärt der EMEA-Chef von Patagonia, Ryan Gellert, wie die Unternehmenskultur in Europa umgesetzt wird. Der alte Kontinent ist nach den USA einer der absatzstärksten Märkte für das Unternehmen. Wir sprachen mit Ryan Gellert auch über die Zukunftspläne der Marke.

Ryan Gellert,EMEA-Chef von Patagonia - Patagonia


FashionNetwork.com: Welchen Anteil des globalen Umsatzes erzielt das Unternehmen heute in Europa? Wie wichtig ist dieser Markt für Patagonia ganz allgemein und weshalb?

Ryan Gellert: Unser Europageschäft macht rund 10 Prozent des globalen Umsatzes aus und verzeichnet auch weiterhin ein sehr gesundes Wachstum im zweistelligen Bereich. Wir arbeiten mit ca. 1200 Wholesale-Kunden zusammen und verfügen in ganz Europa über acht Einzelhandelsunternehmen und zwölf Vertriebspartner.

Als global tätiges Unternehmen ist Europa für uns sehr wichtig, einerseits aufgrund der reichhaltigen Geschichte des Outdoor-Sports in dieser Region. Auch fehlen die Beispiele für fortschrittliches Denken in Nachhaltigkeitsfragen nicht. Zu den Zielen, die wir uns für den alten Kontinent gesteckt haben, zählt die Eröffnung von durchschnittlich zwei Stores pro Jahr. Das ist zwar ein ziemlich gemächlicher Rhythmus, doch sind wir der Überzeugung, dass jeder Store seiner Umgebung, seiner Gemeinschaft, etwas Einzigartiges bieten sollte. Das ideale Gleichgewicht der Locations ist eine Mischung aus traditionellen Sportregionen und städtischen Gebieten. Hier wollen wir NGOs und Individuen unterstützen, die sich um Lösungsansätze zur Behandlung der Umweltkrise bemühen.

FNW: Hegen Sie 2018 Pläne für den europäischen Markt, die Sie unserer Leserschaft nicht vorenthalten möchten?

RG: Wir wollen uns in unserer Tätigkeit weiterhin für Anliegen einsetzen, die für unsere Community zentral sind. So haben wir beispielsweise eine Aktivistengruppe und NGOs dabei unterstützt, die letzten naturbelassenen Flüsse Europas auf der Balkanhalbinsel zu schützen. In dieser Region sind gut 3000 Wasserkraft-Projekte in Planung. Es handelt sich um die letzten wilden Flusslandschaften Europas, dieses Anliegen sollte auch allen am Herzen liegen, die sich für den Schutz fragiler Ökosysteme und die Erhaltung naturbelassener Gebiete in Europa bemühen.

Aus geschäftlicher Sicht möchte ich im laufenden Jahr mindestens eine neue Einzelhandelsadresse in Deutschland einweihen. Bislang verfügen wir über einen Store in München, den wir vor gut 25 Jahren eröffneten. Wir freuen uns auch, unsere Zusammenarbeit mit Großhandelspartnern weiterzuführen, Events zu veranstalten und Anliegen wie die Blue Heart-Kampagne zu mehr Bekanntheit zu verhelfen.

FNW: Wie hat sich der internationale Outdoor-Markt in den vergangenen Jahren verändert und warum? Wie haben Sie auf diese Veränderungen reagiert?

RG: Kunden identifizieren sich heute stärker mit nachhaltigen Kaufentscheidungen und fordern von "ihren" Unternehmen ein größeres Engagement im Bereich Nachhaltigkeit und faire Arbeitsbedingungen. Diese Entwicklung wird durch soziale Medien und digitale Kommunikationsformen weiter vereinfacht. Wir sehen darin eine positive Entwicklung und hoffen, dass dadurch ein neuer Standard entsteht und es sich nicht nur um einen vorübergehenden Trend handelt.

Für uns als Marke stand die Bereitstellung hochwertiger Produkte stets im Mittelpunkt. Die technischen Eigenschaften unserer Produkte sind für unsere Kunden auch weiterhin von großer Bedeutung. 1995 stellten wir unsere gesamte Produktion auf 100 Prozent nachhaltige Baumwolle um, denn wir wissen, dass unsere Kunden von uns eine exemplarische Haltung erwarten. Wir führen heute viel mehr und konkretere Gespräche dazu, wie unsere Produkte hergestellt werden, wo, unter welchen Bedingungen. Wir befassen und auch stärker mit der Herkunft unserer Materialien und dem Sourcing allgemein.

Unsere Fair Trade-Kampagne in der letzten Saison war ein hervorragendes Beispiel dafür. Wir führen nun mehr Modelle und Produkte aus Fair-Trade-zertifizierten Produktionsstätten als alle anderen Kleidungs- oder Heimtextilienmarken. Insgesamt umfasst das Angebot 480 Fair-Trade-Produkte aus 14 verschiedenen Fabriken. Unsere Kunden haben sehr positiv auf die Kampagne reagiert, sie teilten sie mit ihren sozialen Netzwerken, nahmen an Live-Events in ganz Europa teil und zeigten uns, wie wichtig es ihnen ist, die Menschen zu unterstützen, die hinter den Produkten stehen.

FNW: Welches sind die Besonderheiten im deutschen Markt hinsichtlich Stil und Verbraucherverhalten? Gibt es ein spezifisches Konsumentenbewusstsein?

RG: Nun, zunächst haben Outdoor-Sportarten in Deutschland eine lange Tradition und es lässt sich ein hohes Engagement feststellen, vom Klettern im Frankenjura bis hin zu verschiedenen Wintersportarten in den Bayerischen Alpen. Einer der weltbesten Kletterer – Alex Megos – ist Deutscher, einer, der exemplarisch für unzählige andere in der Geschichte des Landes steht.

Was mich am deutschen Markt besonders angesprochen hat, ist diese einzigartige Kombination aus einer Leidenschaft für den Sport, für das Reisen und eine Offenheit für Neues, jedoch immer im Zusammenspiel mit einem tiefen, oft auf konkreten Fakten beruhenden Engagement für mehr Nachhaltigkeit. Deutsche Medien und Kunden ganz allgemein stellen oft die fundiertesten Fragen zur Herstellung unserer Produkte, dazu, wie wir unseren Umwelteinfluss messen und wo wir in Zukunft mit unserer Nachhaltigkeitsstrategie hinwollen. Das Storytelling ist in Deutschland ein sehr wirksames Mittel zur Kundenbindung, doch zugleich stellen die Verbraucher hohe Anforderungen an die Messbarkeit der Umweltauswirkungen – was uns alle weiterbringt.

FNW: Ist das Konzept "Worn Wear" quantifizierbar?

RG: Bei "Worn Wear" geht es grundsätzlich darum, unsere Beziehung zu Materiellem, zu unseren Besitztümern, zu ändern. Wenn wir mehr Menschen dazu animieren können, sorgfältig mit den Dingen umzugehen, die sie besitzen, anstatt in einen schnelllebigen Konsumzyklus zu verfallen, haben wir etwas Positives bewirkt. Sei es nun quantifizierbar, oder nicht. In den vergangenen zwei Jahren haben wir mit unserer "Worn Wear"-Tour rund 200 Orte in 12 Ländern bedient. Ziel der Kampagne war es einerseits, Produkte von Patagonia und anderer Marken kostenlos zu reparieren und andererseits, unseren Kunden zu zeigen, wie sie einfache Reparaturarbeiten selbst durchführen können.

Im Januar schickten wir den neuen "Worn Wear"-Anhänger auf die Straßen. Dieses maßgeschneiderte fahrende Atelier aus Holz soll 28 Wintersportorte in ganz Europa bereisen. Wir bieten Skifahrern und Snowboardern an, kaputte Reißverschlüsse, Risse, abgefallene Knöpfe und Griffe u. a. zu reparieren und den Menschen zu zeigen, wie sie solche Reparaturen selbst vornehmen können. Zum ersten Mal können wir auch Reparaturen an technischen Stoffen wie GORE-TEX® durchführen.

FNW: Ein Blick in die Kristallkugel: Wie sehen Produktionsmethoden, Stil und Einzelhandel in der Outdoor-Branche in Zukunft aus? Welche Herausforderungen kommen auf Sie zu?

RG: Für Patagonia gelten dieselben gewerblichen Gesetzmäßigkeiten wie für jede andere Bekleidungsmarke auch. Wir bemerken einen anhaltenden und gleichmäßigen Wandel in Richtung digitaler Kommunikation und Online-Shopping. Außerdem erwarten die Kunden, Produkte so kurz wie möglich vor dem geplanten Einsatz kaufen zu können. Dabei kommt auch eine immer deutlichere Forderung nach mehr Transparenz und Umweltverantwortung, was wir vorhin bereits erwähnt haben.

Ich denke, der größere Trend – auf den wir als Menschen und auch die Outdoor-Branche insgesamt bislang nur sehr langsam reagiert haben – ist die Tatsache, dass wir gegenwärtig 1,5-mal so viel natürliche Ressourcen verbrauchen, wie die Erde jährlich erneuern kann. Da muss man kein Genie sein, um zu sehen, dass diese Rechnung nicht aufgehen kann. Um wirklich zu einer nachhaltigen Produktion zu finden, müssen wir unser Kaufverhalten, unsere Unternehmen und unsere Industrien anpassen. Nur so können wir die unseres Erachtens unvermeidliche und gesunde Reduktion unserer globalen Konsumgewohnheiten erzielen. Ich würde es begrüßen, wenn die Outdoor-Branche in dieser Entwicklung angesichts unserer Leidenschaft für die Natur eine stärkere Führungsposition einnehmen würde. Nicht zuletzt hängen ja auch unsere Unternehmen von der Erhaltung einer gesunden Umwelt ab.
 

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