Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
20.02.2018
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Trotz Tierschützerprotesten: London Fashion Week in Höchstform

Übersetzt von
Aline Bonnefoy
Veröffentlicht am
20.02.2018

Die London Fashion Week bot ein großartiges Programm, zwischen unvergesslichen Shows, berauschenden Darstellungen experimenteller Mode, der Geburt einer grandiosen Heritage Brand und der herzlichen Abschiedsshow des erfolgreichsten britischen Designers dieses Jahrhunderts.
 

Roksanda - Herbst/Winter2018 - London - © PixelFormula


Die Tierschutzaktion CAFT (Coalition to Abolish the Fur Trade) protestierte an mehreren Veranstaltungen der London Fashion Week gegen den Einsatz von Echtpelz, auch wenn viele der betroffenen Designer in ihrer Kollektion gar keine Tierfelle verarbeitet hatten. Die Demonstrationen erforderten ein großes Sicherheitsaufgebot an allen Veranstaltungsorten und sorgten für erhitzte Gespräche mit dem Sicherheitspersonal. Doch war die Präsenz der Tierschützer indirekt auch ein Beweis des durchschlagenden Erfolgs der London Fashion Week und ihrer weltweiten Medienwirksamkeit.

Tonangebend waren in dieser Saison die Schauen von J.W. Anderson, Preen By Thornton Bregazzi und Roksanda. Da alle drei Morgenveranstaltungen waren, blieben sie von den CAFT-Angriffen verschont – war die Bewegung doch selten am Vormittag schon einsatzbereit.

Trotz aller Unterschiede konnte in allen drei Top Acts ein zentraler Aspekt hervorgehoben werden: Die Fähigkeit der Designer, experimentelle Mode mit einem Gespür für deren kommerziellen Erfolg zu verbinden.

Roksanda Ilincics geraffte Kleider in den wunderschönen, dunklen Farbpaletten der französischen Künstlerin Caroline Denervaud, verschmolzen als organische Formen zu einer traumhaften Kollektion. Ihre große Auswahl an Taschen – strukturierte Leder- und Schultertaschen in passenden Farbtönen – zeugten von der Fähigkeit der Designerin, ihre eigene Ästhetik auch auf Accessoires zu übertragen. Kein Wunder hat Roksanda auf Net-a-Porter einen so durchschlagenden Erfolg!

Das ehrgeizigste Designtalent dieser Saison ist unbestritten Jonathan Anderson, der Konzept mit Kommerz vermischte. Die Inspiration für seine "aufgehängten" Kleider – am Körper herunterfallende Kattunkleider und Plisseeröcke fand er in Richard Smiths Drachengemälde. Diesen Einfluss kombinierte er gekonnt mit witzigen Accessoires – Kunstharzdonuts und knallbunte, knöchelhohe Turnschuhe.

Preen lieferte wieder ein avantgardistisches Werk, inspiriert von koreanischen Fischerinnen, die im ostchinesischen Meer nach Meerschnecken tauchen und ihre Neoprenanzüge mit blumigen Tops schmücken. Daraus schuf der Designer eierschalenfarbene Abendkleider aus verschiedenen Stoffen, mit viel Tüll, Pailletten und Seide und zum krönenden Abschluss Einsätze mit echten Muschelschalen und angedeuteten Tintenfischen sowie anderen Meereskreaturen.


J.W. Anderson - Herbst/Winter 2018 - London - © PixelFormula

 
Zusammengenommen übertrumpften diese drei Kollektionen visuell alles, was letzte Woche in New York gezeigt wurde. Eine weitere Bestätigung, dass die britische Modehauptstadt die amerikanische Saison eindeutig für sich eingenommen hat.

Der entscheidende Moment der Modewoche war jedoch die Abschiedsshow von Christopher Bailey. Nach 17 Jahren bei Burberry verabschiedete sich der Stardesigner mit einem hochpolitischen Statement zur Unterstützung der LGBT-Bewegung. Dabei nicht fehlen durfte der klassische Burberry-Schal in Regenbogen-Ausgabe.

Weiter defilierte ein Viertel der für den BFC/Vogue Fashion Fund 2018 in Betracht gezogenen Designer in London, darunter David Koma, Huishan Zhang, Marques' Almeida und Rejina Pyo. Ihre Shows waren zwar nicht umwerfend, doch zeigten sie in der Wahl ikonischer Stücke alle einen guten Geschäftssinn. Bis vor rund zehn Jahren schienen britische Jungtalente jeweils darauf ausgerichtet zu sein, mehrere Saisons lang kreative Helden zu spielen, konnten dieses Talent jedoch nicht vermarkten. Über das Internet, Sponsorships und Mentoring-Programme ist das heute anders. Nun haben auch blutjunge Unternehmen eine richtige Zukunft. Mit dazu beigetragen hat der britische Modefachverband British Fashion Council mit seiner Pro-Bono-Unterstützung im Wert von gut GBP 1 Million (EUR 1,13 Mio.), gestiftet von den BFC-Fashion Business Network-Partnern. Mentoren leisteten 2017 außerdem über 10.000 Stunden Business Support. Kaum eine andere Stadt bietet ihren jungen Generationen eine so tatkräftige Unterstützung.

Mit seinen grafisch gestalteten Schwarz-Silberfarbenen Kleider mit 80er-Jahre-Einschlag gelang es Koma, eine treue Gefolgschaft aufzubauen. Auch Marques' Ameida fand ein begeistertes Publikum für ihre Kreationen, eine Mischung aus verrückten Street-Style-Einflüssen und Anspielungen auf die britische Geschichte. Das Label zeigte zwar keine besonders umwerfende Kollektion, doch machte es dies mit einer gewaltigen Show in einem Warenhaus mit Backsteingewölbe unweit von Waterloo Station wieder wett.

Der junge chinesische Designer Huishan Zhang verarbeitete in seiner sehr weiblichen, wenn auch etwas steifen Kollektion Einflüsse aus Filmen von Wong Kar-wai und präsentierte das elegante Ergebnis in Mayfair. Nun muss es ihm nur noch gelingen, sich selbst erfolgreich zu vermarkten und der zukünftige Erfolg ist ihm sicher.


Burberry -Herbst/Winter2018 - London - © PixelFormula


London hatte schon immer ein Faible für exzentrische Designer wie die wundervolle Pam Hogg, deren Rockstar-Partyfantasien von Querelle und dem Baron von Münchhausen bis hin zu Tommy und Godspell führten.

Mit ihren riesigen Herzballons an 29 ikonischen Londoner Locations hat sich Anya Hindmarch langfristig in das kollektive Gedächtnis der Modebranche eingeprägt. Ihre drei Meter hohen Liebeserklärungen an die Stadt London schwebten über zentralen Londoner Plätzen wie dem Covent Garden. Wer mag sich noch daran erinnern, wann ein Pariser oder Mailänder Designer etwas Ähnliches für seine Stadt gemacht hat?

Und obwohl die Sorge um den bevorstehenden Brexit drohend über der Modebranche schwebt, könnte der Umsatz erfreulicher nicht sein. Das Marktforschungsunternehmen Mintel schätzt das Branchenwachstum in der Womenswear 2017 auf 2,9 Prozent, mit einem Gesamtumsatz in Höhe von GBP 28,1 Milliarden (EUR 31,9 Mrd.). Bis 2021 dürfte sich dieser Wert auf GBP 28,77 Milliarden (EUR 32,65 Mrd.) verbessern. Rund 24 Prozent des Umsatzes wird mittlerweile Online erzielt.

Mit 850.000 Arbeitsplätzen ist die britische Modebranche auch weiterhin ein bedeutender Arbeitgeber, dazu kommen die Ausgaben, die Touristen für Luxusmodeartikel ausgeben. Die spendabelsten Reisenden stammen aus China, 23 Prozent des Umsatzes entfallen auf dieses Land. Darauf folgen die USA mit 7 Prozent.

Zu den Neuheiten in dieser Saison zählte auch die Marke Delpozo von Josep Font, der mit dieser Show seine Londoner Premiere machte. Seinen hochromantischen Interpretationen fehlte jedoch die Eleganz und die Scharfsinnigkeit seiner früheren Show in New York. Die Inspiration der Musen fällt leider nicht in jeder Saison ganz gleich aus.

Last but not least machte eine großartige neue Heritage-Marke ihr Debüt im Londoner Kalender: Das Kaschmir-Label Johnstons of Elgin aus dem Schottischen Hochland. Durch und durch eleganter Luxus mit dem richtigen Anteil an Lettern, Branding und Styling. Keltisch, cool und clever. Mit einem Umsatz von GBP 74 Millionen (EUR 84 Mio.) im vergangenen Jahr spielt die Marke mit dem Gedanken, in Paris Fuß zu fassen. Ein hohes Zukunftspotenzial ist ihr gewiss.
 

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