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Felicia Enderes
Veröffentlicht am
26.06.2020
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Die Luxusbranche im Angesicht eines bewussteren und vernünftigeren Verbrauchers

Übersetzt von
Felicia Enderes
Veröffentlicht am
26.06.2020

Der globale Luxusmarkt, dessen jährliches Wachstum Prognosen zufolge für den Zeitraum 2020-2022 bei etwa +3,2% hätte liegen sollen, wurde durch die Coronavirus-Pandemie brutal gebremst.

Aktuell sagen die optimistischsten Prognosen für das Jahr 2020 einen Umsatzrückgang von 35 bis 45% voraus. Ein noch stärkerer Rückgang (zwischen 40 und 60%) ist beim Erlebnis-Luxus (Hotels, Reisen, Kreuzfahrten) zu erwarten. Dies sind die Einschätzungen, die von der Boston Consulting Group (BCG) am Dienstag während einer Videokonferenz über Verbraucher und den Einzelhandel im High-End-Segment veröffentlicht wurden. Organisiert wurde die Konferenz von der italienischen Vereinigung der Luxusunternehmen Altagamma.

Covid-19 hat einen tiefgreifenden Einfluss auf Luxuskonsumenten - shutterstock


Laut dieser 7. Ausgabe des "True-Luxury Global Consumer Insights" wird die Luxusindustrie ihre Verluste allmählich wieder aufholen, jedoch erst 2022/23 zu den Werten von 2019 zurückkehren. Diese von BCG in Zusammenarbeit mit Altagamma durchgeführte Untersuchung konzentriert sich insbesondere auf die Spitze des Eisbergs, d.h. die Top-Konsumenten, die jährlich rund 39.000 Euro für Luxusgüter ausgeben.

Auch sie wurden von der Covid-19-Krise erfasst. Nahezu 57% von ihnen geben an, dass die wirtschaftliche Unsicherheit sie davon abhält, zuvor geplante Käufe oder Investitionen zu tätigen. Für 43% der Befragten wird der Aufschwung nur langsam erfolgen. Allein die Chinesen sind optimistischer: 77% wetten auf eine rasche Erholung. Die Ansichten variieren je nach Produktkategorie. Bei Freizeitkleidung und Kosmetika werden die Auswirkungen demzufolge moderater ausfallen und sich innerhalb von zwei Jahren wieder normalisieren. Dagegen werde die Erholung bei Kategorien wie Uhren, Schmuck und Lederwaren länger dauern.

Von den neuen großen Markttrends – die aus einer Befragung von 12.000 Verbrauchern für diese Studie hervorgehen – beziehen sich drei auf das aktuelle Ende der Krise, wohingegen sich fünf weitere voraussichtlich dauerhaft etablieren werden. Logischerweise leiden derzeit besonders der Erlebnis-Luxus und der Tourismus unter den Auswirkungen der Gesundheitskrise. Keine Kreuzfahrten und kein lebendiges Nachtleben mehr! Die Luxus-Konsumenten bevorzugen es, weniger zu reisen und mehr Zeit zu Hause zu verbringen, wobei der Schwerpunkt auf High-Tech und guten Weinen oder privaten und exklusiven Begegnungen (beispielsweise auf einer Yacht) liegt. Italien, die von Chinesen und Koreanern lange bevorzugte Lieblingsdestination, liegt nun hinter Frankreich und Japan auf dem dritten Platz.

Auch aufgrund des derzeitigen Rückgangs des Reiseverkehrs konsumieren die Chinesen immer mehr auf ihrem Heimatmarkt anstatt weltweit. Der dritte kurzfristige Trend schließlich betrifft den Rückgang der von Millennials und Gen Z getätigten Käufe, da diese Verbrauchergruppen finanziell am stärksten von der Krise betroffen waren. Bis 2025 werden sie jedoch 55% der gesamten Luxusumsätze ausmachen. Infolgedessen bleiben Marketingmaßnahmen in diesem Bereich für Marken unerlässlich. Nahezu 60% der jüngsten Kunden geben an, während des Lockdowns durch Werbung, die sie in sozialen Netzwerken gesehen haben, in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst worden zu sein, während dies nur bei 25% der älteren Konsumenten der Fall war.

Unter den fünf Trends, die sich fortsetzen werden, sehen die Autoren der Studie eine große Polarisierung zwischen dem Westen und China. Die Mehrheit der Europäer und Amerikaner plant, zu diskreteren und zeitlosen Marken überzugehen, während die Chinesen sich zu auffälligeren Marken hingezogen fühlen. Unabhängig von der Strategie, die die Modehäuser verfolgen, ist es daher von grundlegender Bedeutung, dass sie ihrer Identität und Tradition treu bleiben.


Junge Verbraucher sind am stärksten von der Covid-19-Krise betroffen - BCG - Altagamma


Der zweite Trend bezieht sich auf die nachhaltige Entwicklung. "Die Verbraucher werden immer selektiver zugunsten der 360-Grad-Nachhaltigkeit. Marken müssen nicht nur umweltfreundliche Prozesse vorweisen, sondern auch in puncto sozialem Engagement und Diversität einen verantwortungsvollen Ansatz verfolgen", betont Filippo Bianchi, einer der Autoren der Studie.

Der dritte Trend ist die digitale Personalisierung des Serviceangebots beim Online-Shopping durch "clienteling 2.0". Der Luxus-Konsument, der im Geschäft verwöhnt wird, möchte im virtuellen Raum genauso gut behandelt werden. In diesem Zusammenhang müssen große Anstrengungen in den Bereichen Daten, künstliche Intelligenz und Analyse unternommen werden.

Die Fortsetzung dieses Trends ist die vierte Herausforderung, nämlich "ein neues Gleichgeicht zwischen Online-Wachstum und Einkaufserlebnis im Geschäft". Auch nach Ende des Lockdowns erwägen immer mehr Verbraucher den Kauf von Luxusgütern im Internet, wobei sich die E-Commerce-Umsätze voraussichtlich verdoppeln werden. Luxusmarken müssen daher eine Online-Verbindung schaffen, die als exklusiv empfunden wird und über das hinausgeht, was Einzelhändler anbieten können.

Das fünfte und letzte Phänomen schließlich, das sich durchsetzen wird, ist der Boom bei Gebraucht- und Mietobjekten. Eine Aktivität, die zunehmend von den Marken selbst in die Hand genommen wird. Darüber hinaus geben 70% der in der Studie befragten Personen an, dass sie gebrauchte Produkte direkt von zu Hause aus kaufen wollen.

In dieser Post-Covid-19-Ära, die sich immer konkreter abzuzeichnen beginnt, hat es den Anschein, dass vor allem die Konsumenten von High-End-Produkten vernünftiger geworden sind. In der Studie heißt es: "In dieser neuen Realität werden sie weniger, lokaler und selektiver einkaufen". "Es geht nicht mehr um die Frage, wie man dieses oder jenes Luxusprodukt verkauft, sondern vor allem um den Sinn dieses Kaufs, der trotz Überfluss notwendig werden muss", resümiert Sabina Belli, CEO des Schmuckhauses Pomellato, in ihrer Rede auf der Konferenz.

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