Übersetzt von
Felicia Enderes
Veröffentlicht am
28.11.2019
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H&M steigt in den Bekleidungsverleih ein

Übersetzt von
Felicia Enderes
Veröffentlicht am
28.11.2019

Der jüngste Akteur, der in den sich schnell entwickelnden Modeverleihmarkt eintritt, ist H&M mit einer raffinierten High-Street-Kollektion von Abendkleidung aus dem Archiv des schwedischen Fast-Fashion-Riesens.


H&Ms neuester Concept Store, Sergels Torg, in Stockholm, Schweden - Photo: H&M - H&M


Die schwedische Marke präsentierte diese Woche ihr überraschendes neues Konzept in ihrem neuesten Concept Store H&M Sergels Torg, benannt nach dem zentralen Einkaufsviertel in Stockholm, in welchem er sich befindet. Mit einer Reihe innovativer Ideen und Geschäftsmodellen eröffnet der Laden am Freitagmorgen, 29. November.

Mit einer subtilen Variation einer typischen H&M Filiale bietet dieser neue Flagship-Store ein Loft-Feeling mit gedämpften Farben, eine modulare, wandlose Innenarchitektur und sogar eine Beauty-Bar. Wie der Laden selbst wird auch die Beauty-Bar um 7.30 Uhr eröffnet, so dass die Leute auf dem Weg zur Arbeit eine Maniküre oder ein Make-up in Anspruch nehmen oder sogar einen Cappuccino in einem Interior-Coffee-Truck abholen können.

Das wirklich Neue jedoch ist der H&M Rental Service – eine Auswahl von rund 50 Kleidern, Brautkleider und exotischen Abendkleidern, die von H&M-Mitgliedern für jeweils 350 Kronen (35 Euro) im Rahmen eines Kundenbindungsprogramms für eine Woche gemietet werden können. Erhältlich sind die Größen 34 bis 48; es handelt sich um Kleidung, deren ursprüngliche Preisspanne zwischen 599 Kronen (60 Euro) und 3.000 Kronen (300 Euro) lag.

"Wir haben unser Kreislaufprojekt vor drei Jahren gestartet. Wir glauben an den Verleih von exklusiven Stücken zu besonderen Anlässen. Wir haben diese Teile ausgewählt, gerade weil es sich um sehr teure Artikel handelt, die oft nur einmal getragen werden", erklärt Pascal Brun, Head of Sustainability von H&M.


Das Innere des Stores - Photo: H&M


Mitglieder können Termine für Fittings mit eigenen persönlichen Stylisten buchen und bis zu drei Teile pro Woche mieten. Alle sind aus nachhaltigen Materialien gefertigt und stammen aus den H&M Conscious Exclusive-Kollektionen von 2012 bis 2019.

"Ich bin sehr stolz darauf, dass diese Kleider immer noch so modisch aktuell sind. Und als Teil der Conscious Exclusive-Kollektionen sind sie aus Materialien wie Bio-Baumwolle oder recycelten Meeresabfällen hergestellt", sagt Maria Östblom, Chefdesignerin von H&M. Zu den Looks gehören stilvolle Couture-ähnliche Neckholder-Seidenkleider mit Chinoiserie-Naturdrucken, cremefarbene Spitzen-Flapper-Kleider mit freizügigen Schlitzen und einige ausgefallene Blusen mit recycelten Spitzenfasern. 

Der Plan sieht vor, das Konzept für drei Monate zu testen; danach kann es in zahlreichen Geschäften eingeführt werden, wobei auch Herrenmode und Accessoires hinzukommen sollen. "In 100 oder 200 oder 500 Geschäften? Um ehrlich zu sein, es ist sehr schwer zu sagen", räumte Brun ein. Derzeit verfügt H&M weltweit über 4.433 Filialen, in 71 Ländern, 145 weitere wurden in diesem Jahr eröffnet. Der Konzernüberschuss belief sich auf 1,2 Milliarden Euro bei einem Umsatz von 20,3 Milliarden Euro.


Einer der Looks, der zum Verleih angeboten wird - Photo: H&M


Mit Verleihanbietern wie Rent The Runway, Le Tote und Armoire, die sich im Wachstum befinden, und dem Online-Verleihgeschäft, das eine schnelle Expansion erwarten lässt, geht H&M mit der Zeit. Still und heimlich zahlte der Konzern rund 25 Millionen Euro für eine 72-prozentige Beteiligung an der Resale-Plattform Sellpy, die nicht mehr benötigte Kleidung von Kunden sammelt, um sein Second-Hand-Geschäft effektiv zu erweitern. Die beiden Unternehmen seien laut Brun noch nicht miteinander verbunden, aber H&M erwäge, den Kunden einen Sellpy Bag anzubieten, um die Möglichkeit zu prüfen, dass H&M-Kunden ihre Second-Hand-Kleidung online über eine H&M-Plattform verkaufen.

Da Fast Fashion aufgrund der ökologischen Schäden, die durch viele der Fabriken verursacht werden, vor allem auf Social Media weltweit in der Kritik steht, bemühen sich Modeunternehmen, auf die Sorgen und Beschwerden der Verbraucher zu reagieren. Zusammen mit rund 30 großen Mode- und Luxusmarken schloss sich H&M dem im August angekündigten "Fashion Pact" unter der Leitung von Kering an, der darauf abzielt, die Auswirkungen der Branche auf Klima, Biodiversität und die Ozeane zu begrenzen. Obwohl die schwedische Gruppe ökologisch bereits ziemlich engagiert war.
 
Der neue 3.200 Quadratmeter große Concept Store umfasst einen großen hellgrauen Karton-Recyclingbehälter, der in den meisten Filialen installiert wurde. Im Jahr 2019 sollen so 25.000 Tonnen Altkleider gesammelt werden – das entspricht 150 Millionen T-Shirts.
 
All diese überflüssigen Kleidungsstücke und Stoffe werden dann an den Berliner Partner I:Collect geschickt, der sie auf drei Arten recycelt. Entweder werden sie in Second-Hand-Läden verkauft; oder sie werden zerkleinert und in Autositze oder Sofas in der Wohnmöbelindustrie eingesetzt; oder sie werden zu Fasern recycelt, die zu neuen Kleidungsstücken verarbeitet werden. 


Die Beauty-Bar des neuen Stores - Photo: H&M


Im Obergeschoss präsentiert sich die neue Beauty-Bar in Partnerschaft mit Dashl ganz in rosa mit kupferfarbenen Leuchten und lila Veloursstühlen; die Kosmetikerinnen bieten von der Maniküre bis zur Wimpernverlängerung alles an. Der Laden befindet sich in der Drottninggatan, einer zentralen Fußgängerzone mit vielen anderen H&M-Marken: & Other Stories; Cos; Monki; Weekday; AFound, einer Outletkette, und Arket, einem gehobeneren Concept Store irgendwo zwischen Muji und Colette. Insgesamt verfügt der Konzern über knapp 5.000 Filialen weltweit.
 
Zwei junge Näherinnen waren damit beschäftigt, sich auf das Opening vorzubereiten und zeigten Stickereien bei H&M Take Care. Dieser Reparaturservice, der 2018 in Frankreich eingeführt wurde, ist in Großbritannien, Österreich, den Niederlanden und Skandinavien verfügbar.
 
"Wir haben in jedem Land unterschiedliche Reaktionen. In Schweden neigen die Kunden zu Reparaturen, dem Hinzufügen von Aufnähern oder Reißverschlüssen; in Frankreich steht die Personalisierung im Vordergrund; während sie in Holland den gesamten Look des Kleidungsstücks komplett neu gestalten wollen", lacht Brun.
 
Kunden können darüber hinaus an einer Express-Kasse zum Selbstscannen bezahlen, ohne dass ein Verkaufspersonal benötigt wird. Über die H&M-App erhalten sie eine elektronische Rechnung, die sie aber erst in den nächsten 30 Tagen begleichen müssen. Die weitläufige Boutique verfügt nur über eine energiesparende LED-Beleuchtung und besteht aus zusammengesetzten, strapazierfähigen Terrazzoböden und Regalen. H&M bezieht seinen Strom im Wesentlichen aus erneuerbaren Energien – 96 % des Stroms stammen bereits aus erneuerbaren Energien. Gemeint sind nicht-fossile Brennquellen – wie Wind-, Solar- und Wasserkraft, aber auch Kernenergie.
  
Mit der H&M-App ausgestattet, können Käufer nun Conscious Exclusive-Etiketten scannen, die die genaue Zusammensetzung jedes Kleidungsstücks, seinen Stofflieferanten sowie Namen und Adresse der Fabrik, die den Artikel hergestellt hat, angeben.
 
"Wir waren das erste Unternehmen, das alle seine Lieferanten auf seiner Website veröffentlicht hat. Jetzt machen wir dies pro Artikel. Das Einzige, was wir immer noch nicht kontrollieren können, ist Baumwolle. Wir kennen die meisten unserer Baumwollbauern, aber es gibt ein Element, das alles undurchsichtig macht – das Spinnen. Aber wir arbeiten an einem DNA-Tag für jeden Betrieb. Wir haben immer an Transparenz geglaubt", betonte Nachhaltigkeitschef Brun, der 15 Jahre bei H&M in Asien verbrachte und als Head of Sustainability für Produktion 150 Mitarbeiter unter sich hatte. "Das ist die mit Abstand größte Nachhaltigkeitsorganisation des Einzelhandels", sagt er.

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