Unterwegs in Paris: Akris, Lanvin, Elie Saab und J. M. Weston

Von

Godfrey Deeny

Übersetzt von
Aline Bonnefoy

Veröffentlicht am
07.03.2022

Eine Reise durch Paris enthüllt das modische Streben nach künstlerischer Raffinesse bei Akris und Lanvin, gemischt mit freundlichem Storytelling bei J. M Weston sowie einem Schuss Rebellion bei Elie Saab.
 
Akris: Pixelisiertes Auftreten

Das Haus Akris bot erneut eine knappe, konzeptuelle und kommerzielle Kollektion, die vom eher obskuren, jedoch zweifellos begabten deutschen Künstler Reinhard Voigt beeinflusst wurde.

Kreativdirektor Albert Kriemler lieferte mit dieser Show eine weitere breite Palette modernistischer Mode. Denn Kriemler ist ein echter Modeschöpfer und nicht einfach nur ein weiterer jener 360-Grad-Kreativdirektoren, die sich mehr für Social Media-Statistiken als großartige Kleider interessieren.

Die Besonderheit von Kriemlers Arbeit liegt in der Weise, wie er einer Idee bis zum Ende folgt und für seine anspruchsvollen Kunden vielzählige elegante Optionen erarbeitet. Das tat er auch mit den Rasterstrukturen von Voigt, der sich seinerseits von der Kreuzsticharbeit seiner Mutter inspirieren ließ.

So wurden Voigts fantasievollen Rasterdesigns von Marilyn Monroe mit roten Lippen und blondem Haar bei Akris zu pastellfarbenen Kaschmirpullovern mit Pixelmuster, zu Kaleidoskop-Ponchos, Neopren-Windjacken, Tops mit gebrochenem Musterverlauf und brillanten Patchwork-Mänteln aus geschorenem Lammfell verarbeitet.

“Reinhard Voigt ist für mich ein großartiger Künstler. Er begann in den Siebzigerjahren mit der Malerei, doch seine Trompe-l’Oeil-Bilder fühlen sich so zeitgemäß an, wie NFTs", sagte Kriemler.

Für Businessmeetings beschränkte Kriemler die Farbpalette auf Blassgrau, Zinn und Kohlschwarz. Gesehen an perfekt geschnittenen Hosenanzügen, Cocktailkleidern und langen Mänteln. Voigts Mutter hätte sich über die karierten Leder-Patchworkboleros und gerippten Schößchen-Steppjacken sicherlich gefreut. Das stylische Präsentationsvideo wurde im von Sou Fujimoto entworfenen gestuften Glasgebäude der Universität St Gallen gedreht, die sich in Kriemlers Heimatstadt befindet.

Vor allem gelingt es Albert vorzüglich, den Kleidern stets genügend Raum zu lassen, damit das Konzept nicht die Überhand gewinnt. So wurden die Raster plötzlich auf drei Farben beschränkt – Meergrün, Petrol und Orange – für eine kleine Anzahl wirklich umwerfender Abendkleider. Damit verlieh er seinem jüngsten künstlerisch beeinflussten Konzept Schlagkraft und Stil.

Elie Saab: Rebellen über alles

Elie Saab wurde von einer gewaltigen Änderungswelle ergriffen und bot statt elitäre Haute Couture einen Rock’n’Roll-Moment, in dem die Models zu Rebellen wurden.

Wer hätte von der Saab-Frau erwartet, dass sie Kampfstiefel trägt? Wir dachten, sie hätten alle einen privaten Chauffeur.

"Rebellisch und wild", strahlte Saab, während er Backstage Stars und Sternchen begrüßte – von Joakim Noah und der Top-Influencerin Olivia Palermo bis hin zu ehemaligen Runwaystars wie Coco Rocha und Toni Garrn.

In der vollbesetzten, geschwungenen Galerie des Palais de Tokyo stampften seine Models in straffen Mantelkleidern mit Ösen, schwarzen Sergé-Mänteln für Dichterinnen, abgerundet durch endlose Federn und leichten Cocktailkleidern mit Strass-Ärmeln für Rockstars allesamt in Militärstiefeln über den Laufsteg.

Elie hatte seinen hippen Grand-Dames so einiges zu bieten: verführerische Samtkaftane und Anzüge mit einem himmlischen grünen Hibiskusprint.

Eine willkommene Änderung für das Haus Elie Saab, bei dem sich auch international viel tut. In der vergangenen Woche eröffnete die Marke den ersten Elie Saab Maison-Store in Paris, nach Mailand und den Golfstaaten.

Darüber hinaus schloss der Designer ein Abkommen mit dem Immobilienunternehmen Emaar – das das größte Gebäude der Welt in Dubai errichtete. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit soll Elie Saab in seinem modernistischen Art Deco-Stil bewachte Wohnsiedlungen entwerfen. Die Arbeiten in den Golfstaaten, Ägypten und in Vietnam haben bereits begonnen.

Lanvin: Gotische Gänseblümchen

Ein neuer Showroom und haufenweise neue Ideen von Bruno Sialelli für Lanvin. Das Haus begrüßte seine Gäste in einem nachgebauten gotischen Herrenhaus im Süden des Parc Monceau.
 

In den glänzenden neuen Kleidern baute das Label zahlreiche Verweise auf die Gründerin Jeanne Lanvin ein. So spielte der Kreativdesigner mit Jeannes Lieblingsblume, dem Gänseblümchen, mit fächerförmigen Drucken auf einem blassgrün-blauen Wollmantel und einer Samtweste in Schwarz, Rot und Gold.

Seine besten Ideen kamen ihm jedoch bei der individuellen Ausgestaltung von Anzügen mit samtenen Zoot Suits und Mänteln in Pink oder Hightech-Blau.

Die Präsentation fand am Tag nach der Eröffnung einer bedeutenden Ausstellung zu Ehren von Lanvins berühmtesten Designer der vergangenen 50 Jahre statt. Alber Elbaz verstarb im vergangenen April am Coronavirus. Die Ausstellung stützt sich auf die von 40 Designern gemeinsam organisierte Laufstegshow, die Alber unter dem Leitwort 'Love Brings Love' eine Hommage widmeten. Sialellis gewaltiges Schleierkleid mit einem riesigen Bild von Alber war einer der einprägsamsten Beiträge.

Doch kann man Bruno vorwerfen, dass er sich zu sehr bemüht: Sein Catsuit-Smoking wirkte etwas zu unwahrscheinlich, seine transparenten Cocktailkleider mit paillettenbestückten Sparrenmustern waren etwas zu seltsam und seine perlweißen männlichen Anzüge würden abseits eines Laufstegs wohl nur mit Mühe funktionieren.

J. M. Weston: Schuhsymphonie

Nur in Frankreich kann das Anziehen von Stiefeln zu einem mit Poesie durchwirktem Performance-Kunstwerk werden.

So geschehen im J. M. Weston-Store an der Rue des Archives, im Rahmen der jüngsten Darbietung und Meditation zur Mode, die von Kreativdirektor Olivier Saillard serviert wurde.

Ein Store, aus dem alle Schuhe entfernt wurden und der in einen gänzlich weißen Showspace umfunktioniert wurde. Vor diesem schlichten Hintergrund kamen die 11 Variationen der plastischen Cambre-Stiefelette optimal zur Geltung.

Die Modelle wurden von der Schauspielerin Sonia Ichti enthüllt, die von Saillard mit einer Reihe von Cambre-Stiefeletten beschuht wurde. Nach jedem neuen Modell las sie Gedichte vor oder erzählte von ihrem eigenen Weg durch das Leben als berufliche Nomadin.

Sie zitierte Prévert auf Französisch und sprach Portugiesisch, da sie sich in Brasilien zur Keramikerin ausbilden ließ. Sie zog mit goldenen Blättern verzierte Cambres an, wieder andere aus braunem Papier oder auch ein Paar aus reiner weißer Keramik. Sie stand in einem schlichten Rahmen und setzte die Cambre in Szene. Seit die Stiefelette von J. M. Weston 1969 erstmals in seiner Schuhfabrik im französischen Limoges produziert wurde, ist sie zu einer Modeikone aufgestiegen.